Ist der Versailler Vertrag ein gerechter Friedensvertrag?

 

Was ist der Versailler Vertrag?

 

Mit dem Versailler Vertrag wurde 1919/20 der Erste Weltkrieg völkerrechtlich beendet. Der Versailler Vertrag wurde auf der Pariser Friedenskonferenz von den Vertretern der Siegerstaaten ausgearbeitet. Die wichtigsten Staaten waren die USA, Frankreich, Großbritannien und Italien. Die besiegten Staaten Deutschland und Österreich durften sich nicht an den Verhandlungen beteiligen. Unterzeichnet wurde der Vertrag am 28. Juni 1919 von den Vertretern des Deutschen Reichs und den Siegerstaaten.

Ort der Unterzeichnung war der Spiegelsaal des Versailler Schlosses, in dem das Deutsche Reich 1871 ausgerufen worden war.

Ziele andere zeitgleicher Verträge:

  • Auflösung der österreichischen Reichshälfte (Vertrag von Saint-Germain)
  • Stabiles Europa auf längere Sicht
  • Langfristige Erhaltung des Friedens
  • Formales Beenden des Ersten Weltkrieges
    • Vertrag von Neuilly-sur-Seine
    • Vertrag von Trianon
    • Vertrag von Sèvres

Protestplakatplakat gegen die Beschlüsse der
Friedenskonferenz von Versailles von Louis
Oppenheim (1879-1936) aus dem Jahr 1919

Zentrale Inhalte des Vertrages

  • Deutschland muss Elsass und Lothringen an Frankreich abgeben.
  • Deutschland muss Westpreußen und Posen an Polen abgeben.
  • Frankreich besetzt das Rheinland und das Saargebiet für 15 Jahre.
  • Deutschland darf in einem 50 km langen Streifen rechts vom Rhein keine Soldaten stationieren.
  • Österreich und Deutschland dürfen sich nicht zusammenschließen.
  • In Deutschland darf es keine allgemeine Wehrpflicht geben. Es darf nur noch ein Berufsheer von 100000 Mann behalten.
  • Deutschland darf keine Panzer, U-Boote, Schlachtschiffe oder Kriegsflugzeuge besitzen.
  • Deutschland verliert alles Vermögen im Ausland.
  • Deutschland muss sehr hohe Reparationskosten zahlen.
  • Deutschland muss anerkennen, dass es die alleinige Schuld am Ausbruch des Krieges und an all seinen Folgen trägt.
  • Deutschland muss alle Kolonien abtreten.

Situation in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg

 

Politische Situation:

  • 11.1918 Kaiser dankt ab
  • 11.1918 Waffenstillstand
  • Republik wird ausgerufen
  • Verfassungsänderung: parlamentarisches System eingeführt
  • Dreiklassenwahlrecht aufgehoben
  • Weimarer Koalition zwischen Zentrum, SPD und DDP

Wirtschaftliche Situation:

  • Deutschland durch den Krieg hoch verschuldet
  • Lebensmittel, Rohstoffe, Heizmaterial waren knapp
  • viele Kinder waren krank oder starben an Unterernährung
  • 1918 131.000 Arbeitslose, Jan. 1918 waren es noch 62.000
  • Wirtschaft war noch vollkommen auf Rüstung und nicht auf Friedensindustrie eingestellt

Gesellschaftliche Situation:

  • 4 Millionen Verwundete
  • 1,8 Millionen Soldaten waren gefallen
  • Frauen waren deshalb nun weiterhin als Arbeitskräfte gefragt
  • Hunger, Mangelernährung, Orientierungslosigkeit in ganz Deutschland

Reaktion der deutschen Bevölkerung auf den Vertrag von 1919

 

  • Wird als extrem hart empfunden, man glaubte an milden Frieden (da das wilsonsche Vierzehn Punkte Programm des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson am 8. Januar 1918 verkündet: annehmbare Grundsätze für eine Friedensordnung nach dem Ende des Weltkrieges für alle Parteien)
  • Schlagwort „Versailler Diktat“ (das Deutsche Reich war bei den Verhandlungen ausgeschlossen, sondern durfte nur am Schluss Eingaben machen; wurde nur unter Protest unterzeichnet nach Drohung mit Einmarsch)
  • Vertrag wird als „Schandfrieden“ angesehen und als „nationale Demütigung“ (unzumutbare Bedingungen werden als illegitim bezeichnet)
  • Entstehung der Dolchstoßlegende (Militär und Nationalsozialisten verbreiten die Verschwörungstheorie, wonach die militärische Niederlage auf die Sozialdemokratie und andere demokratische Politiker zurückzuführen ist. Diese sagt aus, dass der Krieg noch hätte gewonnen werden können, die Soldaten "auf dem Felde unbesiegt" waren, aber hinterlistig von den "Novemberverbrechern“ (Novemberrevolution) von hinten erdolcht wurden)
  • Demonstrationen der Bevölkerung (vor allem nach Einmarsch der französischen Armee ins Ruhrgebiet)

Daniel Fitzpatrick: "The Source", erschienen in der 
St. Louis Post-Dispatch (amerikanische Zeitung)
vom 19.10.1930.

Heutige Sicht auf den Versailler Vertrag

 

Mit dem Kampf gegen den Vertrag begann Hitlers innenpolitischer Aufstieg zur Macht und der Niedergang der Weimarer Republik:

  • Hitler schürt Hass gegen die Juden wegen Schuld an Versailler Vertrag (führende Politiker waren Juden z.B. Matthias Erzberger)
  • Er gibt auch Demokraten die Schuld am Abschluss von Versailles (Vertreter der neuen Weimarer Republik mussten den Vertrag unterschreiben)
  • Versailler Vertrag bringt große wirtschaftliche Not (Reparationen können mit der Volkswirtschaft nicht erwirtschaftet werden )
  • Viele Millionen Deutsche leben nun in einem fremden Land („Wir wollen heim ins Reich“ als große Parole und wollen ihr Selbstbestimmungsrecht, das der Vertrag vorenthält)

 

 

 

Fazit

 

Der Versailler Vertrag kann aufgrund seiner überharten Regelungen und seinem unversöhnlichen Diktat nicht als gerechter Frieden angesehen werden. Hintergrund war, dass der Vertrag in weiten Teilen von Rache, vor allem auf Seiten der Franzosen, für die kriegerischen  Auswirkungen geprägt war.

Mit der Begrenzung der Berufsarmee auf 100.000 Mann war Deutschland nicht mehr fähig, seine verbliebenen Grenzen zu verteidigen und war der Willkür der Alliierten ausgesetzt.

Deutschland verlor durch die Abtretung von gerade auch wirtschaftlich wertvollen Landesteilen zu einem großen Teil seine Eisenerz- und Steinkohlevorkommen, so dass dies erhebliche Auswirkungen auf die Schwerindustrie Deutschlands hatte. Auch Exportbeschränkungen und der Verlust der nahezu gesamten Handelsflotte schränkte die Wirtschaftskraft Deutschlands erheblich ein. Diese Maßnahmen führten dazu, dass es Deutschland nicht mehr möglich war, die viel zu hohe Reparationslast zu erfüllen, weshalb es z.B. auch zur Ruhrbesetzung durch die Franzosen und die Belgier gekommen ist. Diese große wirtschaftliche Not war vor allem ursächlich für die auftretende Inflation und auch dafür, dass Deutschland in den USA Schulden machen musste, um die Reparationen zu bezahlen. Dieser „Teufelskreis“ führte letztendlich zu einer Unzufriedenheit und Not in der Bevölkerung und bahnte den Weg für den Nationalsozialismus.

Die westlichen Siegermächte des 2. Weltkrieges haben aus dem ungerechten Versailler Vertag die Lehren gezogen und es Deutschland ermöglicht, sich zu einem freiheitlich demokratischem Rechtsstaat zu entwickeln, der auf dem Grundgesetz basiert, der auch seinesgleichen sucht.