Die deutschen Kolonien - eine Schreckensherrschaft?

Karte der deutschen Kolonien in Afrika
Die deutschen Kolonien in Afrika - Autor: Exa (bearbeitet, CC-Lizenz)

 

 

Allgemein

 

Das Interesse des Deutschen Reichs an Kolonien entstand in einer Phase des Übergangs. Kolonialbefürworter betrachteten Kolonien als "Ergänzungsräume", die die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands garantieren können. Weitere Gründe war die Idee, des deutschen Sendungsbewusstseins („Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ [Emanuel Geibel, 1861]), sowie der zu dieser Zeit häufige Rassismus, durch den die Kolonien legitimiert wurden.

Reichskanzler Otto von Bismarck zeigte jedoch kein Interesse an deutschen Kolonien, da er annahm, dass diese nur Verluste einbringen würden. So lehnte er gegen Ende des Deutsch-Französischen Krieges die Kolonie Cochinchina als Gegenleistung für den Frieden ab, sondern verlangte das Elsass.

Hauptgrund für Bismarcks Ablehnung von Kolonien war seine Sorge um die Beziehungen mit anderen europäischen Kolonialmächten, da er mittelfristig das Deutsche Kaiserreich von diesen bedroht sah. So erwiderte er dem Journalisten Eugen Wolf, als er ihn drängte, mehr Kolonien zu erwerben mit dem Satz „Ihre Karte von Afrika ist ja sehr schön, aber meine Karte von Afrika liegt in Europa. Hier liegt Russland, und hier (…) liegt Frankreich, und wir sind in der Mitte, das ist meine Karte von Afrika“ (Bismarck, 1888). Allerdings gab es unter Bismarck schon verschiedene deutsche Privatkolonien in Afrika, welche von reichen Unternehmern gegründet wurden. Diese dienten vor allem als Handelsnetze.

Ein Wechsel in der deutschen Kolonialpolitik trat am 15. November 1884 ein, als Bismarck in Berlin die sogenannte Kongo-Konferenz ausrief. Schon am Anfang des Jahres stellte Bismarck nach englischem Vorbild verschiedene deutsche Privatkolonien unter deutsche Schutzherrschaft, was sie de-facto zu deutschen Kolonien machte. In der Kongo-Konferenz sollte eigentlich nur die Errichtung einer Freihandelszone diskutiert werden, doch gleichzeitig wurden auch die territorialen Ansprüche der verschiedenen europäischen Großmächte abgesteckt.

Deutschland wurden Togo, Kamerun, Deutsch-Südwestafrika, Ruanda und Urundi zugesprochen, was durchaus zufriedenstellend für den ansonsten nicht an Kolonien interessierten Bismarck war.

 

Deutsch-Südwestafrika

 

Deutsch-Südwestafrika war die einzige Kolonie, welche man tatsächlich als Siedlungskolonie nutzen konnte, da die anderen in tropischen Gebieten lagen, sodass die Siedler dort unter Tropenkrankheiten litten. In dem dicht nevölkerten Siedlungsgebiet von Deutsch-Südwestafrika gab es allerdings schon viele verschiedene Völker und Stämme, welche oft komplexe Beziehungen untereinander führten, darunter auch Kriege. Die wichtigsten waren die Herero und die Nama. Daher war das Deutsche Reich gezwungen deutlich mehr  so genannteSchutztruppen zu senden, als ursprünglich gedacht um einen friedlichen Aufbau der Siedlungen zu garantieren und das Gebiet für Siedler attraktiv zu machen.

Die Beziehungen zwischen den Kolonisten und den Einheimischen waren durch Rassismus geprägt. Die Einheimischen wurden so zum Beispiel als Kinder betrachtet, welche die Deutschen zu führen und pflegen hatten. Daher arbeiteten die meisten der Ureinwohner für die weitaus geringere weiße Bevölkerung und wurden auch häufig ausgebeutet, zum Beispiel beim Landverkauf. Ehen zwischen Einheimischen und Kolonisten wurden verboten, dennoch waren Vergewaltigungen der Ureinwohnerinnen alltäglich. Diese Situation verschärfte sich, als durch eine Rinderseuche, eine Malaria-Epidemie sowie durch Ausbeutung durch skrupellose Händler das Volk der Herero an den Rand des Ruins brachten.

1904 begann der Aufstand der Herero. Landesweit griffen sie deutsche Farmen und andere Infrastrukturen wie Bahnstationen an und plünderten das Land. Die Herero waren zahlenmäßig den deutschen Schutztruppen überlegen. Darüber hinaus unterschätzten die deutschen Schutztruppen anfangs die Organisationsfähigkeit der Herero, sodass diese sehr erfolgreich waren. Allerdings unterschätzten die Herero die Schutztruppen und die Stärke sowie die Geschwindigkeit, mit der die Verstärkung ankam.

Die Verstärkung wurde vom Generalleutnant Lothar von Trotha angeführt. Dieser war für seine Verteidigung in blutigen Niederschlagungen von verschiedenen Kolonialaufständen bekannt. Zu diesem Zeitpunkt haben sich die Herero allerdings schon zum Waterberg zurückgezogen. Trotha versuchte sie mit einer Entscheidungsschlacht zu besiegen, allerdings waren die immobilen deutschen Truppen nicht effektiv sodass die Herero nach Osten in die Omaheke-Wüste flüchten konnten. Trothas Truppen verfolgten sie dorthin und blockierten alle Wasserstellen. Die Herero die weiter durch die Wüste nach Osten in britische Gebiete, wo ihnen Asyl versprochen wurde, verdursteten Massenhaft. Die in den deutschen Gebieten verbliebenen Herero wurden auf Befehl von Generalleutnant von Trotha erschossen oder anderweitig brutal exekutiert. Später wurden diese Gräueltaten als Genozid anerkannt.

Nach dem Ende des Aufstandes war ein Großteil der Infrastruktur zerstört und es gab kein Interesse mehr in die Kolonie zu investieren. Dies änderte sich mit dem Fund von Diamanten in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Dies führte zu einem neuen Aufschwung und Siedlerzuwachs der deutschen Städte und zu einem neuen Wirtschaftswachstum. Die Eingeborenen allerdings wurden stärker denn je unterdrückt und wurden zu rechtslosen Untertanen der weißen Bevölkerung.

 

 

Deutsch-Ostafrika

 

Deutsch-Ostafrika wurde von dem Pastorensohn Carl Peters gegründet, der offen zugab, das Land ausbeuten zu wollen. Peters errichtete eine private Handelskolonie, welche die Bevölkerung brutal unterdrückte und auf eine menschenverachtende Weise ausbeutete. Dies führte zu einem Aufstand der Küstenvölker im Jahr 1888.

Bismarck war sich durchaus bewusst, dass der Aufstand ein Resultat der fehlerhaften Kolonialpolitik durch Peters war allerdings entschied er sich später dazu in den Konflikt auf Peters Seite einzugreifen, da er eine Niederlage innerhalb der Kolonie als Schande empfunden hätte.

Deutsch-Ostafrika wurde deutsche Kolonie und Peters wurde zum Gouverneuer ernannt. Er wurde jedoch kurz danach wieder abberufen da er seine Terrorherrschaft fortsetzte. Der Abzug von Peters brachte der Kolonie jedoch keine Ruhe. Es kam immer wieder zu Aufständen, wovon der bekannteste von Chief Mkwawa geleitet wurde. Dieser Aufstand endete ebenfalls in einem blutigen Kleinkrieg mit häufigen Hinrichtungen und anderen Gräueltaten.

Ein weiterer Grund für diese Aufstände war das Bestreben des Deutschen Reiches so wenig Geld in die Kolonie zu stecken wie möglich; so gab es in Ostafrika im Jahr 1900 nur 415 deutsche Beamte und Offiziere auf über 8 Millionen Einwohner.

Wie in Westafrika war die Kolonialzeit ebenfalls von starkem Rassismus und Diskriminierung geprägt: „Wozu sollen wir den Neger erziehen? Meine kurze und bündige Antwort: zur Arbeit für uns“ (Ludwig Külz, Kolonialarzt). Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges gab es auch Kampfhandlungen in Ostafrika. Angeführt von Paul Lettow-Vorbeck, der "Löwe von Ostafrika" genannt wurde, leistete die deutsche Schutztruppe erbitterten Widerstand, bis sie sich nach der Unterzeichnung des Versailler Vertrags geschlagen geben mussten und nach Deutschland zurückkehrten.

Abschließend lässt sich sagen, dass sich die Kolonie Deutsch-Ostafrika nicht nach den Erwartungen Deutschlands entwickelt hat. Sie brachte keinen Profit und war als Siedlungsgebiet uninteressant. Für die afrikanische Bevölkerung war die Kolonialzeit geprägt von Unterdrückung, Rassismus und Grausamkeit bei Aufständen.

 

 

Fazit

 

Auch wenn nur beispielhaft zwei Kolonien gezeigt wurden, sind diese repräsentativ für die übrigen deutschen Kolonien, zum Beispiel die deutschen Kolonien im Pazifik.

Die deutschen Kolonien waren von Rassismus und Gewalt gegen die Bevölkerung gezeichnet. Die rechtliche Ungleichheit zwischen Siedlern und Ureinwohnern führte häufig zu Aufständen, welche brutal niedergeschlagen wurden. Darüber hinaus wurden sie oft zur Zwangsarbeit gezwungen. Überwiegend wurden die Kolonien für landwirtschaftliche Zwecke genutzt, wie zum Beispiel zur Produktion von Baumwolle. Stellenweise wurden auch Bodenschätze wie Diamanten gefördert. Nach 1900 begann Deutschland verstärkt Infrastruktur, vor allem ein Schienennetz, anzulegen. Dennoch waren fast alle deutschen Kolonien ein Verlustgeschäft. Die häufigen Aufstände sorgten für hohe Ausgaben da häufig Söldner für die Bekämpfung der Revolte angeheuert wurden.

Abschließend lässt sich sagen, dass sich trotz einiger positiver Nebeneffekte (z.B. die deutsche Infrastruktur in Südafrika) die deutsche Kolonialzeit nur als unrechte Gewaltherrschaft zu betrachten ist.

 

Literatur

 

  • Guido Knopp: Das Weltreich der Deutschen. Von kolonialen Träumen, Kriegen und Abenteuern. Überarbeitete Ausgabe. München und Zürich 2011.

  • Andreas Eckert: Kolonialismus. Frankfurt a. M. 2006.